An
einem Frühlingstage in einem weit entfernten Königreiche gebar eine junge
Königin ihrem Mann ein Töchterchen. Dieses ward auf den Namen Ulrike getauft
und wie es so heranwuchs wurde deutlich, dass es mit einem großen Verstand
gesegnet war.
Doch
nicht nur die Intelligenz ward ihr in die Wiege gelegt, nein. Auch kamen hinzu
Humor, Sarkasmus und Schönheit. Doch obwohl sie wunderhübsch war und mit jedem
Jahr des Heranreifens noch schöner zu werden schien, fehlte es ihr an Größe.
Nicht an geistiger oder moralischer für Wahr, doch an körperlicher Größe.
Da
sie aber so klug war, wusste sie sich schon früh zu helfen und so bat sie ihren
Vater zu ihrem zwölften Geburtstag im ganzen Lande Boten auszusenden. Diese
sollten mit den zwölf besten Schustern, die sie im Königreich finden konnten,
zurückkehren. So ward es geschehen, die kleine Ulrike wies jeden dieser Männer
an, ihr ein besonderes paar Schuhe zu fertigen, so schön und vor allem so hoch,
wie sie auf der ganzen Welt noch nie zuvor gesehen wurden. Diese zwölf Paar sollten
pünktlich zu ihrem Geburtstag fertig sein und der Schuster, der ihr den
höchsten und schönsten Stiefel überreichte, sollte reich belohnt werden und auf
ewig am Hofe bleiben, um ihr Schränkchen mit zahlreichen, ebenso großartigen Schuhen
zu befüllen.
Und
so schritt Ulrike glücklich auf ihren hohen Absätzen durch die Säle des Schlosses
– bis zu ihrem zwanzigsten Geburtstag. An diesem Tage feierte sie ausgelassen mit
ihren Freundinnen in dem großen Park vor ihrem Elternhaus. Nun trug es sich
aber zu, dass es an diesem Tage ungewöhnlich heiß war und wie sie so tanzte auf
ihren schwarzen Lackpumps von einer Höhe, die ihr euch kaum auszumalen wagt,
merkte sie, das ihre Füße auf dem steinernen Boden der weitläufigen Terrasse
förmlich anfingen zu glühen. Um sich etwas Kühlung zu verschaffen, ging sie
tiefer in den Park hinein bis zu einer Gruppe großer dunkler Tannen. Zwischen
deren Schatten erspähte sie einen alter Brunnen. Vorsichtig schritt sie an ihn
heran, denn ihr war als sähe sie diesen Brunnen zum ersten Mal. Doch als sie
das kühle Wasser an der Oberfläche glitzern sah, ließ sie alle Achtsamkeit
fallen und griff beherzt ins Wasser um ihr Gesicht damit zu befeuchten. Dann
setzte sie sich auf den Rand des Brunnens, zog ihre Schuhe aus und stellte
diese vorsichtig neben sich ab. Wie sie so saß und ihre geschundenen Füße ins
kalte Wasser tauchte, vernahm sie plötzlich ein Geräusch hinter sich. Sie
wirbelte erschrocken herum und sah gerade noch ein kleines Kaninchen um den
nächsten Baum hoppeln. Wie sie sich erleichtert wieder in Richtung Wasser wandte,
musste sie bestürzt feststellen, dass einer ihrer ach so geliebten Lackpumps in
den Brunnen gefallen war. Da begann sie bitterlich um diesen zu weinen.
„Dir
fließen so viele Tränen über die Wangen quaaak da möchte man ja
meinen du willst uns noch einen Brunnen füllen.“ Erschrocken blickte die Prinzessin
auf und erblickte eine dicke fette Kröte und wenn sie es nicht besser gewusst
hätte, dann hätte sie glatt geglaubt, die Kröte trüge ein winziges Krönchen.
„Lass mich doch weinen, was geht es dich an?“, fragte sie bekümmert. Der Frosch
sagte nichts dazu und starrte mit seinen Glubschaugen nur weiter die weinende
Ulrike an. Nach einiger Zeit wurde ihr das zu bunt und so fuhr sie die Kröte
an: „Verschwinde endlich, mir geht es schon schlecht genug, auch ohne deine
Anwesenheit!“ Darauf erwiderte diese: „Quaaaaaak, na was meinst du wie
es mir geht, nachdem ich eine volle Woche zu früh aus meiner Winterstarre
gerissen wurde, nur weil irgend so ein Dummkopf nicht auf seine Schuhe achten
kann.“
Die
kleine Ulrike wollte dieser hässlichen Kröte am Liebsten entgegen schreien,
dass sie kein Dummkopf war, sondern einer der klügsten Köpfe im ganzen Land,
wenn nicht sogar der klügste überhaupt und dass die Kröte sich endlich zum
Teufel scheren sollte, als ihr plötzlich eine Idee kam. Wenn der Kröte ihr
Schuh auf den Kopf gefallen war, dann musste diese sehr tief unten im Brunnen
leben und könnte ihr ihren geliebten Pump vielleicht zurück bringen. Diesen
Vorschlag unterbreitete sie der Kröte auch sogleich.
„Warum
sollte ich quaak“, antwortete diese gelangweilt. „Weil ich heute Geburtstag
habe und du scheinst doch eine so liebe Kröte zu sein“, flötete die
Prinzessin schmeichelnd, auch wenn ihr sich bei jedem freundlichen Wort
gegenüber der Kröte die Nackenhaare aufstellten. „Und was kriege ich dafür?“,
wollte die Kröte wissen. Ulrike überlegte kurz und griff sich dann an ihr
Haupt, auf dem ihre Krone saß. Doch die Kröte schüttelte nur ihren Kopf. „Quaaaaaak,
was soll ich mit Gold und Juwelen, wo ich doch in diesem Brunnen hause.“
„Ja,
aber etwas anderes habe ich nicht! Ich bitt dich Kröte, tu mir den Gefallen und
hole mir den Schuh zurück.“ Die Kröte überlegte eine Weile und stimmte dann zu.
„Aber du musst mir dafür etwas versprechen quaak!“ „Alles was du willst!
Wenn du mir nur meinen Schuh zurückbringst!“
„Gut, wenn du deinen Schuh wiederhast und zum Schloss zurückgehst, musst du
mich mit dir nimmst. Ich will einmal von einem Teller speisen, der so edel ist
wie deiner, will einmal aus einem Becher trinken, der so gefüllt ist, wie der
deine und will einmal in einem Bette schlafen, das so kuschlig ist, wie das
deine!“
Als
die Prinzessin das hörte wurde ihr Angst und Bange. Mit der hässlichen Kröte am
selben Tische sitzen? Vom selben Teller essen? Aus demselben Becher trinken und
zu guter Letzt auch noch im selben Bette schlafen? Nein, das ging zu weit. Doch
bevor sie Einwände erheben konnte, war die
Kröte schon in die Tiefen des Brunnens getaucht und als sie kurze Zeit
später mit dem Schuh wieder auftauchte, war die kleine Prinzessin so überglücklich,
dass sie ihr Versprechen schon fast vergessen hatte. Hastig zog sie den Schuh
an und tänzelte über die Lichtung. Als der Frosch das sah, rief er ihr zu: „Quaak
vergiss mich nicht Prinzessin! Versprochen ist versprochen!“ Doch die hörte
nicht auf den Frosch und lief einfach los. Was könnte der schon machen, wenn
sie ihr Versprechen nicht einlöste?
Als
sie endlich wieder am Schloss angekommen war, neigte sich der Tag bereits dem
Ende zu und die letzten Sonnenstrahlen verschwanden hinter dem Horizont. Der
Vater war erzürnt und besorgt als er seine Tochter wieder sah, doch auf seine
energischen Fragen, wo sie denn so lange geblieben wäre, antwortete diese nur:
„Ach Papa, sei nicht böse. Ich war etwas im Park spazieren und hab darüber
hinaus die Zeit vergessen.“ Der König brummte nur missmutig und wies seiner
Tochter den Weg in den Salon, wo das Essen schon aufgetischt war und die Gäste
warteten. An diesem Abend war der kleinen Ulrike sehr unwohl zu Mute, meinte
sie doch bei jedem Geräusch das Quaken des Frosches zu hören, der die Einlösung
des Versprechens forderte, dass sie so unbedacht gegeben hatte. Als das Fest zu
Ende war, kroch sie besorgt in ihr Bett und im Traume sah sie immer wieder das
Gesicht der hässlichen Kröte vor sich.
Das
ging noch zwei Nächte so, doch nachdem
der Frosch derart lange nicht zu ihr ins Schloss gekommen war, kehrte die Ruhe
in ihr Leben zurück und sie ging ihren Beschäftigungen nach, wie sie es immer
schon getan hatte.
Mittlerweile
war eine Woche vergangen und sie saß mit ihren Eltern und ihrer jüngeren
Schwester am Abendbrottisch. Dieser war gedeckt mit güldenen Tellern, güldenen
Bechern und dampfenden, gut duftenden Gerichten. Als die kleine Prinzessin sich
gerade etwas von der herrlich gebratenen Ganz auftun wollte, läutete plötzlich
die kleine Glocke vor der Tür und ein lautes Quaken ertönte.
„Königstochter,
Königstochter! Mach mir auf! Quaaaak“ Bei diesen Worten erschrak die
Prinzessin zutiefst und bat ihrem Vater die Tür nicht öffnen zu lassen. Dieser
wollte erstaunt den Grund für dieses sonderbare Verhalten seiner Tochter
wissen, ließ die Tür aber verschlossen, wie die Tochter es ihm geheißen hatte.
Noch
bevor der König eine Antwort erhielt, ertönte es wieder durch die Tür: „Königstochter,
Königstochter! Mach mir auf! Quaaaak“
Diese
aber rührte sich nicht, sondern starrte nur ängstlich zur Tür, ihr Gewissen im
Ohr, das ihr zuflüsterte ‚Hättest du ihn nur mitgenommen, wärst du nur nicht
einfach weg gerannt!‘
Als
der Frosch merkte, dass wieder nichts geschah, rief er energischer.
„Königstochter, Königstochter! Mach mir auf! Quaaaak! Versprochen ist
versprochen! Quaaaak!“
Da
wurde der König hellhörig und forderte nun endlich eine Erklärung von seiner
Tochter. Diese erzählte ihm widerwillig von ihrem Missgeschick mit dem
verlorenen Schuh, der Begegnung mit der fetten Kröte und ihrem Versprechen als
Pfand Schuh.
Als
der König das hörte, erzürnte er sehr: „Ich dachte du wärst klüger! Ein
Versprechen muss man halten!“, rief er und ließ die Türen zum Schloss öffnen.
„Du wirst mit der Kröte vom selben Teller essen, aus demselben Becher trinken
und im selben Bette schlafen! Und als Strafe für dein Ungehorsam wirst du der
Kröte obendrein noch einen Gutenachtkuss geben!“ Das hörte der Frosch, der
gerade in den Salon hüpfte und platschend vor dem Stuhl der Prinzessin landete.
In deren Augen spiegelte sich Abscheu und Angst, aber auch Scham, da sie ihr
Versprechen gebrochen hatte. Als der Frosch das sah, war er schon etwas
besänftigt und ohne weiter auf ihren Fehltritt einzugehen, sagte er: „Heb mich
hoch quak, ich komme nicht an deinen Teller.“ Die Prinzessin tat, wie
ihr geheißen und hob den Frosch auf den Tisch. Dieser hüpfte auf den güldenen
Tellerrand und den weiteren Abend über teilten sie Speis und Trank.
Nur
der Frosch sagte ab und an etwas, wenn er um Hilfe beim Trinken aus dem Becher
bat oder um das Putzen seines breiten Mauls nach dem Festmahl. Die übrigen
Personen am Tisch betrachteten dieses Schauspiel schweigend.
„Das
war ein gutes Mahl quaak, vielen Dank dafür. Jetzt bin ich müde. Trag
mich in dein Bett Prinzessin.“ „Ja aber...“, erwiderte diese erschrocken und
blickte hilfesuchend zu ihrem Vater. Dieser blickte sie aber nur streng an und
nickte. Niedergeschlagen nahm sie die Kröte in ihre Hände und trug sie hinauf
in ihr Zimmer, doch anstatt sie auf dem seidenen Bette niederzulassen, setzte
die kleine Ulrike die Kröte auf dem Boden ab.
„Königstochter,
Königstochter, heb mich hinauf, allein schaffe ich es nicht.“ „Nein Kröte, das
kann ich nicht! Das kann ich einfach nicht!“ „Versprochen ist versprochen quaaaak!“
Angewidert
hob sie die Kröte in ihr Bett, legte sich so weit von ihr weg, wie nur irgend
möglich, drehte sich auf die Seite und dachte darüber nach, wie freundlich der
Frosch war (wenn auch bestimmt), obwohl sie doch so gemein zu ihm gewesen war.
Da hörte sie wieder die Kröte sprechen: „Quaak, der Gutenachtkuss
Königstochter.“
Die
kleine Ulrike wollte schon energisch protestieren, gehörte der Kuss doch nicht
zu ihrem Versprechen, da besah sie es sich anders. Es war eine verdiente Strafe,
fand sie, da sie sich wirklich unmöglich benommen hatte und so drehte sie sich
zu der Kröte, beugte sich zu ihr hinab und küsste diese.
Doch
als die Prinzessin ihre Augen wieder öffnete, blickte sie nicht in die
wässrigen Glubschaugen der Kröte, sondern in die haselnussbraunen Augen eines
wunderschönen Jünglings.
Dieser
packte sie, küsste sie erneut und rief voll Freude aus: „Du hast mich gerettet!
Ach wunderschöne kleine Ulrike, du hast mich von meinem Fluch erlöst. Ich war
einmal ein Prinz und wurde verwunschen, als Strafe für ein gebrochenes
Versprechen gegenüber einer Hexe. Nur ein Kuss, freiwillig gegeben, von einer
schönen Jungfrau konnte mich erretten! Jetzt wollen wir Hochzeit feiern!“
Freudig
stimmte Ulrike in seinen Singsang mit ein. Das hörten König und Königin, liefen
in das Zimmer ihrer Tochter und wie sie diese so vorfanden, in den Armen des
Prinzen, stimmten auch sie in den Reigen mit ein.
Noch
im selben Monat feierten die kleine Ulrike und der Prinz Hochzeit und erhielten
die Hälfte des Königreiches und fortan hießen beide im Volksmund nur noch „der
Froschkönig und seine Frau“.
Und
noch heute küsst jede junge Frau zu ihrem 20. Geburtstag einen Frosch.
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